Zwischen Wut und Mut |
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Jürgen
Mack Zwischen
Wut und Mut
- vom Umgehen mit Gewalt und Aggression Ein
theaterpädagogisches Ausbildungsprojekt am Seminar für schulpraktische Ausbildung
(GHS) in Meckenbeuren (Der
Artikel erschien in: LEHREN und LERNEN Heft 4/2002 Neckar Verlag
Villingen-Schwenningen. Themenheft: Schule und Theater S. 12ff) Schule
braucht Theater als Bildungschance!
Auf diesen formelhaften Nenner bringe ich die
sechs Thesen des Eingangsbeitrags dieses Heftes. Heutige Theaterpädagogik
stellt eine Vielzahl von Konzeptionen, Methoden und Übungen bereit, die auf
unterschiedlichste Weise ihren Beitrag zur Realisierung dieser Ziele leisten können.
Diese Wege und Möglichkeiten muss man kennen, um sie anwenden zu können.
Theaterpädagogik legitimiert sich häufig mit dem Argument, Persönlichkeit
zu bilden und zu stärken, Selbst- und Fremdwahrnehmung zu fördern. Deshalb ist es genauso wichtig, sich der Grenzen dieser
Methoden und des eigenen Handelns bewusst zu werden. Theaterpädagogik ist ein
sehr komplexes pädagogisches Feld und erfordert entsprechend ausgebildete
Lehrerinnen und Lehrer. Das
staatliche Seminar für schulpraktische Ausbildung für den Grund- und
Hauptschulbereich in Meckenbeuren bietet seit nunmehr 3 Jahren ein theaterpädagogisches
Lehrangebot an. Es geht dabei einerseits um drei Bereiche: ·
die Interaktionen in
Unterricht und Schule bewusst werden zu lassen, Lehrer- und Schülerverhalten,
um Selbst- und Fremdwahrnehmung, um Erweiterungen des eigenen
Verhaltensrepertoires. ·
um Methodentraining zu
handlungsorientierter Gestaltung von Unterricht und Projektarbeit ·
eine theaterpädagogische
Grundbildung zur Erlangung von Spielleitungskompetenzen. Inhaltlicher
Rahmen dieses Ausbildungsganges bildet der Umgang mit Aggression, Gewalt und
rechtsradikalem Denken und Handeln vorwiegend im schulischen Umfeld.[1] Unterricht
ist Szene Ausgangspunkt
dabei ist die These von Jürgen Belgrad, dass Pädagogik und Theater
Kunstformen von Interaktion und Kommunikation darstellen und Szenen deren
Bausteine sind.[2]
Die Figurationen dieser Szenen bestehen aus Handlungen, Erlebnissen und
Lebenswelten, in deren Spannungsfeldern sich
die Verstehens- und Gestaltungsprozesse abspielen. Herausragendes Merkmal der
Szene ist, dass sie beobachtet werden kann, dass ihre Handlungsträger diesen
Beobachtungsmechanismen unterliegen und sich selbst in ihren szenischen
Handlungen beobachten können. Auch Unterricht ist
Szene und unterliegt den Gesetzmäßigkeiten von Interaktion und
theatraler Inszenierung. Die Szene "Unterricht" lässt sich
beobachten, analysieren, reflektieren und damit auch verändern. "Ein
Mann geht durch den Raum, während ihm ein anderer zusieht; das ist alles was
zur Theaterhandlung notwendig ist."[3]
Augusto Boal nennt dieses Verhältnis zwischen Handelndem und
Beobachter den "ästhetischen Raum"[4],
wobei auch der Handelnde selbst zum Beobachter seiner Handlungen werden kann.
Für Boal ist das die "Essenz des Theaters: im Menschen, der Mensch, der
sich selbst beobachtet. Der Mensch "macht"
nicht nur Theater, er "ist"
auch gleichzeitig Theater. ... Theater - oder Theatralik - ist die menschliche
Fähigkeit, sich selbst im Handeln zu betrachten. Die Selbsterkenntnis, die
der Mensch auf diesem Weg erwirbt, erlaubt ihm, beobachtendes Subjekt eines
anderen, handelnden Subjektes zu sein. Sie erlaubt ihm, sich Variationen
seines Handelns vorzustellen und Alternativen zu erproben."[5]
Auch das Klassenzimmer ist ein solcher "ästhetischer Raum". Die
theaterpädagogischen Methoden zur Erforschung des ästhetischen Raumes
"Theater" eignen sich auch zur Beobachtung und Erforschung des ästhetischen
Raumes "Klassenzimmer", zur Wahrnehmung der Interaktionsprozesse im
Unterricht, zur Selbstbeobachtung und damit für einen Erkenntnisweg zur
Selbstbeobachtung und zur Erprobung alternativer Handlungsweisen. Welche
Muster stehen hinter unseren Verhaltensweisen, welche Haltungen drücken sich
in unseren sprachlichen und körpersprachlichen Formen aus, welchen Habitus
legen wir an den Tag? Wie begegnen wir einander und welche Statusbestimmungen
vollziehen wir dabei? "Jede
Sprachsituation fungiert als Markt, auf der etwas getauscht wird. Dieses Etwas
sind natürlich Worte, aber diese Worte sind keineswegs nur dazu da,
verstanden zu werden. Das Kommunikationsverhältnis ist
... auch ein ökonomisches Verhältnis, bei dem es um den Wert dessen
geht, der spricht: Hat er gut gesprochen? Hat er schlecht gesprochen? Ist er
brillant? Ist er nicht brillant? Kann man ihn heiraten? Kann man ihn nicht
heiraten?"[6] Auf Schule bezogen
bedeutet das, aus wechselnden
Perspektiven formuliert: Nehmen wir die Lehrerin ernst? Glauben wir dem Schüler?
Erkennen wir den Lehrer an? Wie verschaffen wir uns die nötige Aufmerksamkeit
in unserem Kollegium? Welche Rollen nehmen wir im Kreis der Mitschüler ein?
Wie wirke ich? Bin ich dabei authentisch? Die Fragestellungen gelten auf allen
"Bühnen" der Szenerie Unterricht: zwischen Lehrern und Schülern,
zwischen Schülern, zwischen Schülern und Eltern, zwischen Lehrern und
Eltern, zwischen Lehrern, zwischen Lehrern und Schulleitung, um nur einige
zentrale Ebenen dabei zu nennen. Kreisläufe
Der
Habitus, mit dem wir anderen begegnen, mit dem wir unseren
"Marktwert" in der jeweiligen sozialen Situation definieren, ist
untrennbar verbunden mit unserem Selbst. Wie reagieren wir in bestimmten
Situationen? Auf welche Impulse zeigen wir Offenheit, wann "machen wir
zu"? Wann gehen wir auf Distanz? Was muss geschehen, damit wir Nähe
zulassen können? Können wir Grenzen ziehen oder Grenzen respektieren? Wann
werden wir aggressiv, wie gehen wir mit diesen Aggressionen um, wann "berührt"
uns ein Verhalten? Wann lehnen wir eine Person völlig ab? Wie zeigen wir
Ablehnung und wie Wertschätzung? Theaterpädagogik
kann beitragen sich der Mechanismen und Muster bewusster zu werden, die
hinter Interaktionen stehen können. Gestörte Kommunikation,
Unterrichtsstörungen, Mobbing, Aggression und Gewalt sind dabei Punkte, die
nicht nur angehenden Lehrern und Lehrerinnen sehr zu schaffen machen. Es sind
die zentralen Punkte, die Referendare am häufigsten nennen, wenn sie ihre
Schwierigkeiten in Schule und Unterricht zum Ausdruck bringen. Als Ausbilder
und häufiger Beobachter von Unterricht ergänze ich die Liste um den Punkt
Hilflosigkeit im Umgang mit Beschimpfungen, verletzenden, menschenverachtenden
und rechtslastigen Äußerungen. "Im
Kontext der Frage, wie „Eigenes“ und „Fremdes“ in den
Lebenswelt-Konstruktionen codiert wird, kommt der Kompetenzerfahrung
eine bedeutende Rolle zu: Wer sich als ohnmächtiges Opfer der Verhältnisse
fühlt, der wird „Fremdes“ bzw. die Offenheit und Ambivalenz
gesellschaftlicher Strukturen nicht als faszinierend und herausfordernd
wahrnehmen können, sondern als beunruhigend und bedrohlich. Um die eigene
Ohnmacht und die damit verbundenen Frustrationen zu kompensieren, dürfte er
sich bzw. „das Eigene“ idealisieren und heftig vor „dem Fremden“ schützen
wollen. Damit entwickelt sich ein Weltbild, bei dem das Ich im Kollektiv
Geborgenheit sucht und sich damit über die mit der Ohnmachtserfahrung und der
verweigerten Anerkennung verbundene Kränkung des Selbstwertgefühls hinwegtröstet
- als scharf konturiertes Gegenbild zu der als „feindlich“ oder
„chaotisch“ wahrgenommenen Außenwelt: Um den Selbst-Wert zu steigern,
bietet sich die Abwertung des Anderen an, die Grundrezeptur rassistischer
Weltbilder."[7]
Nicht Mithalten können, die Kategorisierung als "leistungsschwach"
und "versagend" führt bei den meisten Betroffenen zu einer
Verunsicherung des Selbstwertgefühls und einer Minderung späterer sozialer
und beruflicher Chancen. Aggression und Gewalt bei Schülerinnen und Schülern
können als Verteidigungs- und Kompensationsmechanismen gegen die psychischen
und sozialen Verunsicherungen interpretiert werden, die in der Schule
entstehen."[8]
Referendare befinden sich in einer vergleichbaren Situation. Auch bei
ihnen geht es um Sein oder Nichtsein in einem doppelten Sinne. Zum einen in
den alltäglichen Herausforderungen "vor der Klasse, vor den Augen des
Kollegiums und vor dem eigenen Selbstbild zu bestehen", zum andern aber
auch innerhalb kürzester Zeit eine Prüfung so gut wie möglich zu bestehen,
um überhaupt auf eine Einstellungschance hoffen zu können. Elementare
Verunsicherung, Versagensängste aus existentiellen Gründen sind also
keineswegs unbekannt und bestimmen nicht unwesentlich die Gefühle, das
Selbstwertempfinden und den Habitus. An dieser Stelle zeigt sich nicht selten
eine deutliche Parallelität zwischen Lehrer- und Schülerverhalten. Hier wie
dort folgt der Hilflosigkeit situationsadäquat zu handeln, Ohnmachtsempfinden.
Auch Lehrer reagieren mit Drohung, Abwertung und Demütigung. Das befremdliche
Verhalten der Schüler wird als Bedrohung des eigenen Status empfunden und man
reagiert mit den gleichen Mustern. So distanziert sich die
"Kontrahenten" auf der inhaltlichen Seite zeigen, ihr tatsächliches
Verhalten entspringt der gleichen Quelle. Auch hier wirkt ein heimlicher
Lehrplan, wirkt der Lehrer - wenngleich unbewusst - vorbildhaft. Theaterpädagogik
in der Lehrerausbildung "Wer
im sozialen, im kreativ-gestalterischen Bereich oder beim
kritisch-reflektierenden Verstehen die Erfahrung von Kompetenz macht, kann
sich selbst als Gestalter des eigenen Lebens wahrnehmen und seine Lebenswelt
als Lerngelegenheit und Herausforderung. Von entscheidender Bedeutung scheint
bei dieser Transformation von Ohnmachtsgefühlen die Anerkennung durch andere
zu sein."[9]
Theaterspiel (und auch die Zirkuspädagogik) erfordert u.a. Teamarbeit, Verlässlichkeit,
Präsenz, Konzentration, Verantwortung, Ausdauer und Empathiefähigkeit. Als
Preis winkt die Anerkennung durch andere und somit eine Steigerung des
Selbstwertes. Theater
bietet den Raum mit Hilfe des Spieles Situationen zu erkunden, sich selbst zu
beobachten, sich auszuprobieren, verstehen zu lernen und nach Lösungen und
Auswegen zu suchen. "Im ästhetischen Raum kann man (da) sein, ohne zu
existieren. Tote werden lebendig, die Vergangenheit wird gegenwärtig, die
Zukunft ist heute, die Dauer wird von der Zeit losgelöst, alles ist möglich
im Hier und Jetzt, die Fiktion wird zur Realität und die Realität zur
Fiktion. ... Der ästhetische Raum besitzt die selbe Plastizität oder
Gestaltungskraft wie der Traum. ... Deshalb können wir im Theater konkrete Träume
haben."[10]
Theaterpädagogik ermöglicht eine handelnde Auseinandersetzung mit zentralen
Fragestellungen des Lehrberufs, indem sie diesen selbst zum Inhalt ihre Arbeit
macht. Es geht um ein spielendes Erkunden von Möglichkeiten, eine Suche nach
Antworten auf Fragen, die helfen, sich seines Selbst bewusster zu werden: ·
Welche Erkenntniswege
eröffnen theaterpädagogische Methoden für die Gestaltung von Unterricht? ·
Wie ermöglichen
theaterpädagogischen Methoden Erkenntnisse auf den Ebenen der Kommunikation
und Interaktion? ·
Welche theatralen
Determinanten bestimmen unterrichtliches Geschehen? ·
Welche Mechanismen und
Muster stehen hinter bestimmten Verhaltensdispositionen? ·
Welche Rolle
"spielt" der Raum in unseren Interaktionen? Wem "gehört"
der Raum, welche Funktion hat der Raum in unseren Statusdefinitionen? ·
Wie können angehende
Lehrer/innen in ihrer Selbstwahrnehmung gestärkt werden? ·
Lassen sich alternative
Verhaltensmöglichkeiten in prekären Situationen ausprobieren? ·
Welche Wünsche,
Utopien und Träume bewegen uns? ·
Warum sind wir enttäuscht,
wenn die Wirklicht nicht so ist, wie wir sie gerne hätten? ·
Wie erleben wir diese
Enttäuschung und welche Möglichkeiten haben wir, damit
umzugehen? ·
Wie nehmen wir uns
selbst wahr? ·
Wie reagieren andere
auf mich und ich auf andere? ·
Wie nehmen wir unseren
eigenen Körper, unsere Befindlichkeit und unsere Gefühle wahr? Die
Verbindung von Tanz und Kampfsport erschließt
noch weitere Ebenen dieses Weges zur Stärkung des Ichs und des "Erkenne
dich selbst". Intensiviert wird die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper,
Bewegung und Rhythmus führen zu Konzentration und Kontemplation, zu einem Ganz-bei -sich-selbst- Sein, Spannung und Entspannung
wechseln einander ab und bleiben nicht ohne Auswirkung auf unser Wohlbefinden,
Partnerschaft und Respekt vor anderen ist zentraler Bestandteil der Arbeit,
Kraft und Aggression wird bewusst erlebbar und in einen schöpferischen
Prozess umgesetzt. Nicht selten gelingt es mittels dieser Erfahrungen Konflikte zu thematisieren und über Ängste und
Gefühle zu reden.[11]
In
der Chance dieses sich Ausprobierens als Weg zur Selbsterkenntnis liegen
aber auch Gefahren, die in einem solchen Ausbildungsgang erfahren
werden müssen, damit sie in das Blickfeld des Bewusstseins gerückt werden: ·
Wo fängt Therapie an
und wie erkenne ich Grenzen des Spiels? ·
Wo sind die Grenzen
meiner persönlichen Fähigkeiten als Spielleiter/in? Ziel
ist dabei ja nicht nur die Stärkung der Rolle als angehende Lehrerin, die
Teilnehmer sollen selbst zu Spielleitern ausgebildet werden. Dabei sind
noch zwei weiterere Punkte von zentraler Bedeutung: · der Umgang mit dem Fehler. In der Schule sind Fehler verpönt, man schämt sich, kaschiert oder vertuscht Fehler, ja nicht auffallen beim Fehler machen heißt das Prinzip. Fehler schwächen uns, ist die Botschaft. Anders in unserem Verständnis von Theaterarbeit: Fehler sind oftmals gar keine falschen Handlungen, sondern zeigen andere Möglichkeiten. Fehler können auch eine Chance sein zu erkennen, was und wie wir etwas falsch gemacht haben oder wie wir etwas besser machen können. Solche Erkenntnisse setzen das Fehler machen geradezu voraus. Pia André, die Neuen Tanz und Kampfsport in diesem Projekt lehrt, spricht vom Innehalten als das Mittel, innere Freiheit zu üben. "Statt automatisiert aus Gewohnheit auf einen Input zu reagieren, sage ich "Stop!", entscheide mich für eine neue Möglichkeit und habe dadurch die Fähigkeit, zu wählen. Statt mich von meinen Gewohnheiten bestimmen zu lassen, erweitere ich meine Möglichkeiten. So entsteht Freiheit. Wir lernen etwas Neues, erarbeiten die Gedanken, die uns am Lernen hindern (z.B. „ich muss perfekt sein“, "ich weiß schon alles (besser)“, "ich darf mir keine Schwäche erlauben“, etc.). Indem ich mir Fehler erlaube, lerne ich schneller und besser, komme schneller und leichter an mein Ziel. Das Lernen beginnt sogar Spaß zu machen, wenn ich mir für jeden Fehler ein Lächeln schenke."[12] ·
Lehrende
sind immer auch Lernende,
machen Fehler, lernen daraus, gewinnen aus den Prozessen, die sie mit ihren
Impulsen in Gang gesetzt haben Erkenntnisse, die zum Ausgangspunkt der
weiteren Arbeit werden. Theaterpädagogik in diesem Verständnis bedeutet
nicht die Realisierung eines vorgedachten Regiekonzeptes, ist nicht die
Umsetzung eines Bildes, das der Spielleiter im Kopf hat und dem die
Teilnehmer/innen möglichst nahe kommen sollen. Theaterpädagogik bedeutet für
uns Wahrnehmen, Aufnehmen, Weitergeben, Annehmen oder auch Verwerfen. Eine
Gruppe macht sich auf den Weg und alle sind an der Gestaltung des Prozesses
und des Produktes beteiligt. Das klingt vielleicht idealistisch und
harmonisch. In Wirklichkeit bedeutet es, jede Menge Konflikte auszutragen,
nach Lösungen zu suchen und deren Tragfähigkeit zu erproben. Das
Ausbildungsprojekt Konzipiert ist die Ausbildung weitgehend als Zusatzangebot, das während des 1 1/2 Jahre dauernden Referendariats angehender Grund- und Hauptschullehrer am Seminar Meckenbeuren erstmals dem Kurs 21 angeboten wurde. Es wechseln sich die kontinuierliche Arbeit am Seminar ab mit Wochenendseminaren unter der Leitung von ausgewählten, professionellen Theaterpädagogen/innen. Beteiligt sind:
Das
gesamte Projekt umfasst einen zeitlichen Rahmen von 150 Stunden und gliedert
sich in drei Phasen. Der Kurs entspricht in seinem zeitlichen Umfang nicht
einem kompletten Ausbildungsgang zum Theaterpädagogen oder Theaterlehrer, wie
er bis Anfang der 90iger Jahre in Baden-Württemberg
Der
18-stündige Grundkurs wird einem breitem Teilnehmerkreis im Rahmen des
Lehrangebotes zum Intersdisziplinären Lehren und Lernen angeboten. Teilnehmen
können maximal 50 Personen, darunter auch Lehrbeauftragte am Seminar. Dieser
Grundkurs wurde in den Jahren 2000 und 2001 angeboten und evaluiert. Insgesamt
haben bislang 94 Personen teilgenommen. Im Juli 2002 wird dieser Kurs zum
dritten Mal angeboten. Im
halbtägigen Wechsel belegen alle Teilnehmer die Bereiche Neuer Tanz und
Stockkampf und Theaterpädagogik. Die Tanzpädagogin Pia André leitet den
Tanz- und Stockkampfpart, Jürgen Mack den theaterpädagogischen Teil.
Inhaltlich geht es um eine elementare Auseinandersetzung mit Gewalt- und
Aggressionserfahrungen in der Schule. Das Theater beschäftigt sich dabei mit
Gefühlen, Körperwahrnehmungen, offenen und versteckten Aggressionen, mit
gestörter Kommunikation, Macht und Ohnmacht in Interaktionen, mit Sprache, Körpersprache,
Status und Habitus. Welche Wirkungen haben Bilder und Statik? Stockkampf
und neuer Tanz führen zu persönlichem Aggressionserfahrungen. Welche Kraft
steckt in mir und in meinen Bewegungen, wie fühle ich mich als Täter, Opfer
oder Zuschauer? „Wenn ich wirklich hinschaue beim Schlagen, ist es sehr
schwer, noch wirklich zu schlagen. Jeder Mensch hat die Fähigkeit zur
Aggression, sonst könnten wir nicht überleben. Diese Arbeit gibt die Möglichkeit,
diese Aggression zu kanalisieren, ihnen eine Richtung zu geben, die nicht
zerstörerisch ist. Aggression passiert oft unkontrolliert. „Augen zu und
drauf!“ Wenn ich mir bewusst mache, was ich tue, kann ich lernen, Aggression
zu kontrollieren. (kontrolliere ich die Aggression und nicht sie mich) Um mit
Aggression umgehen zu lernen, muss ich sie anschauen, statt sie zu
tabuisieren. Dadurch verliere ich die Angst davor, lerne sie zu kanalisieren,
so dass sie weniger zerstörerisch ist.[13] Die zweite
Phase:
Aufbaukurs
Dramaturgie und Schauspielkunst Der
70-stündige Aufbaukurs läuft als Zusatzangebot im Anschluss an eine reguläre
Ausbildungsveranstaltung am Seminar, donnerstags 14- tägig von 17.00h bis
20.00h. Dabei wird in einem Prozess "praktischer Dramaturgie" ein
eigenes Theaterstück entwickelt. Ausgangspunkt der inhaltlichen Arbeit ist
ein Presseartikel über Gewalt und Rechtsradikalismus an einer Schule. Unter
der Leitung von Doris Merz fand ein "intensiver Schauspielkurs
"statt. Es ging um die Suche nach einem eigenen, authentischen Ausdruck.
Körperarbeit, Bewegungsimprovisation, Konzentrations- und Sinnesgedächtnisübungen,
Figuren werden erfahren und das Ein- und Aussteigen in eine bzw. aus
einer Figur ermöglicht. Im Mittelpunkt steht die Individualität jedes
Schauspielers, um "Präsenz" und "Verkörperung" in einer
Bühnenfigur ganz persönlich aufzuspüren und um im weiteren Probenprozess
der anderen Figur im Raum mit Musik, Licht und seinem Kostüm zu begegnen. Es
geht dabei auch um Grenzerfahrungen. Wie weit bin ich bereit mich einzulassen,
wo sind meine Grenzen? Was kann geschehen, wenn ich selbst diese Grenze überschreite
oder wenn Spielleiter ihre Position missbrauchen und Prozesse initieren, die
zu steuern sie nicht in der Lage sind. Helga
Kröplin und Werner Jauch arbeiten mit Atem, Stimme, Rhythmus und Sprache.
Einer gefundenen Figur wird stimmlicher Ausdruck verliehen und dieser in
Einklang mit ihren Bewegungen und ihrem inneren Ausdruck gebracht. Es geht darüber
hinaus darum, für jede Szenen einen passenden Rhythmus zu finden. Wichtig ist
in diesem Kurs aber auch die Schulung der konkreten und ökonomischen
Stimmarbeit für den Lehrberuf. In
der kontinuierlichen Arbeit zwischen den Kompaktphasen mit externen
Referentinnen wird die Stückentwicklung über Improvisations- und Körperarbeit
vorangetrieben. Es geht um eine Intensivierung der im Grundkurs angelegten
Erfahrungen: Raum und Zeit, Begegnung, Bewegung und Ruhe, Eskalation und
Beruhigung, Massenszenen, Monologe, Aktion und Reaktion und immer wieder um
die dramaturgische Auseinandersetzung mit dem Status der Rolle in der
jeweiligen Situation. Wie entwickeln sich Spannungsbogen und Wendepunkte?
Wieviel Gewalt und Aggression hält ein Spieler aus, halten Zuschauer aus?
Wieviel Komik verträgt und braucht eine solche Thematik? Taugt der Stoff auch
für eine Komödie? Wieviel Lehrstück darf oder muss sein? Im Zentrum stehen
Improvisationen. Der
Aufbaukurs ist bewusst sehr schulnah gestaltet. Viele Methoden sollen
unmittelbar im Unterricht in Form szenischen Interpretierens, in der eigenen
Theatergruppe, in Projekten angewandt werden können. Diese
"Verwertbarkeit" der Theaterarbeit erscheint in dieser Phase der
Hochbelastung neben dem erlebbaren Zugewinn für die eigene Person als
weiterer wichtiger Motivationsimpuls, dabei zu bleiben. Die
dritte Phase:
Inszenierung des Theaterstückes Die
Ausgangsgeschichte handelt von einer Schule, in der ein Schüler von seinen
Mitschülern aus dem rechten Milieu fast aufgehängt wurde. Mehr aus Zufall
kam die Geschichte an die Öffentlichkeit und zur Anzeige. Verharmlosung und
Vertuschung sind Reaktionen vermeintlicher Konfliktbewältigung. Als das nicht
funktioniert wird das Opfer erneut zum Schuldigen und muss zu letzt die Schule
verlassen, während die Solidarität den Tätern gilt.[14]
Die
in Phase II entwickelte Geschichte nimmt nur noch am Rand Bezug auf diesen
Ausgangstext. Das Stück handelt von Personen, die in irgendeiner Weise mit
den Personen des Textes zu tun hatten und haben. Gezeigt wird, wie sie mit
dieser Geschichte umgehen. Ihre ganz persönliche Betroffenheit, ihre
hektischen Aktivitäten zur Konfliktbewältigung und die Suche nach Schuld und
Schuldigen macht sie blind für eine neuerliche, sich anbahnende Katastrophe. Das
Stück "Alles Jammerlappen?" wird in Szene umgesetzt und kommt im
Sommer 2002 zur Aufführung. Kein Teilnehmer ist zu diesem Zeitpunkt aus dem
Projekt ausgestiegen, obwohl jetzt die eigentliche Seminarausbildung in die
heiße Phase der zweiten Staatsprüfungen tritt. Diese dritte Phase der
theaterpädagogischen Ausbildung kann als die eigentliche Projektphase
bezeichnet werden. Sie beteiligt die Teilnehmer jetzt zunehmend im
Gestaltungsbereich der Inszenierung. Eingebunden in die Arbeit wird jetzt
wieder die Tanzpädagogin Pia André, die mit den Teilnehmerinnen auch
choreographische Elemente des Tanz- und Bewegungstheaters entwickelt. Die
teilnehmer werden in dieser Phase auch Workshops eigener Wahl bei den
THEATERTAGEN AM SEE belegen. Neben
dem Finden einer eigenen Rolleninterpretation und dem Entwickeln eines
dramaturgischen Spiekonzeptes, geht es um das Bühnenbild, Technik,
Ausstattung und Kostüme, Auftrittsorte, Werbung und Auftrittsrechtliches. Evaluation Grundkurs Wie
schon erwähnt fand der Grundkurs bereits zweimal statt mit insgesamt haben 94
Teilnehmern. Davon waren 9 weibliche Lehrbeauftragte am Seminar, 69
waren Lehreranwärterinnen und 16 Lehreranwärter. Die
Erwartungshaltungen waren in beiden Durchgängen sehr ähnlich. Es dominierten
dabei persönliche Gründe, wie eine erhoffte persönliche Bereicherung, Spaß,
Persönlichkeitsentwicklung und Selbsterfahrung hinsichtl. des Umgangs mit
Aggression. Auf der beruflichen Seite erwarteten die meisten Impulse für
szenisches Arbeiten, Konfliktbewältigungsstrategien und ebenfalls Impulse für
den Umgang mit Gewalt und Aggression. Die Bewertung der Erfüllung/Nichterfüllung
der Erwartungen zeigte, dass dieser Grundkurs fast ausnahmslos als äußerst
wertvolle Erfahrung in der Lehrerausbildung bezeichnet wird. "Für mich
waren diese Tage die mit Abstand fruchtbarsten Tage am Seminar. Dies gilt
sowohl für die Bildung meiner Lehrerpersönlichkeit als auch für die
Anregung zur Unterrichtspraxis. Was mich nachhaltig geprägt hat, war die
Teamfähigkeit der Teilnehmer und die Kritikfähigkeit gegenüber jedem
einzelnen, aber auch dem Kursleiter/in." (Karin L.) "Im
Stockkampf habe ich die Erfahrung gemacht, dass jeder Mensch - auch ich
-Aggressionen in sich trägt. Diese Erfahrung nicht durch Nachdenken oder
Sprechen sondern durch Körperarbeit zu machen war hart und verwirrend aber
auch sehr bereichernd. Ich erachte dies als eine wichtige Grundvoraussetzung,
um überhaupt mit Gewalt und Aggression umgehen zu können. Nur wo auch Verständnis
und Einfühlungsvermögen da ist, können „Andockpunkte“ geschaffen
werden, die Kommunikation möglich machen. Wenn ich gewalttätige Menschen von
vorne herein als „abartig“ verurteile, werden sie sich niemals auf mich
einlasse. Die Erfahrung auch selbst mit Aggressionen ausgestattet zu sein sehe
ich wie eine Art Brücke, die den Abgrund zwischen gewalttätigen Menschen und
ihren Betreuer, Erziehern, Lehrern überwindet." (Eva H.) „Ich darf
Fehler machen“ ja diesen Satz werde ich erst einmal nicht mehr vergessen, er
wird meine Zeit im Referendariat prägen!" (Verena H.) "Die
Diskrepanz Hochstatus/Tiefstatus hat mich nachdenklich und für meine Umwelt
sensibler gemacht. Ich kam zu der Erkenntnis, dass Theater unglaublich viel
mit dem wirklichen Leben zu tun hat. Ich werde zukünftig allerlei
Interaktionen wohl sehr genau wahrnehmen und analysieren. Für mich persönlich
empfinde ich den Kurs als unverzichtbar."
(Ralph C.) Aufbaukurs
Dieses
zusätzliche Angebot nehmen nur noch zehn Referendare, vorwiegend Frauen an,
dazu kommen drei junge Hauptschullehrerinnen und eine Schulsozialarbeiterin.
Die Gruppe umfasst 14 Personen, darunter zwei Männer. Die Ursachen für diese
geringe Teilnehmerzahl liegen in der zeitlichen Struktur der Ausbildung.
Vielen erscheint die Referendariatszeit selbst schon als immense Belastung.
Sich darüber hinaus auch noch die Verpflichtungen einer kontinuierlichen
Theaterarbeit aufzuerlegen erscheint vielen potentiell Interessierten als
zuviel. 63% der Grundkursteilnehmer/innen formulierten noch vor der Übernahme
eigenverantwortlichen Unterrichts Interesse an einer Fortsetzung der
Theaterarbeit während des Referendariats, weitere 26% wollten nach Abschluss
der zweiten Phase der Lehrerausbildung einen solchen Aufbaukurs belegen.
Das Interesse besteht. Wie
haben die Teilnehmerinnen des Aufbaukurses diese Arbeit erlebt und welche Auswirkungen sehen sie hinsichtlich
ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Schulpraxis? Aufschlussreich
ist schon, wie die zusätzliche Belastung wahrgenommen wird: "Ich
habe das Gefühl neben dem ganzen Referendariatsstress etwas für mich zu
tun." (Nicole A.) "Im
Referendariat hat man ja eigentlich nie Zeit und ist ständig beschäftigt und
gefordert. Gerade in dieser Situation ist Theaterspielen für mich immer
wichtiger geworden: Es sind die Stunden Auszeit, die ich mir selbst nicht
nehemen würde - ich kann abschalten, Stress abbauen und auftanken."
(Mirjam W.) "Es
ist mein persönlicher Freiraum indem ich "ich" sein kann, ohne das
Gefühl zu haben, permanent funktionieren zu müssen."
(Heike G.) Die
drei Zitate stehen stellvertretend für ähnliche Äußerungen der ganzen
Gruppe. Was
die Arbeit selbst anbelangt, zeichnen die Stellungnahmen der Teilnehmerinnen
ein klares Bild und untermauern die Bedeutung und damit auch die Chancen, die
in einer Etablierung eines solchen Ausbildungsganges für die Lehrerausbildung
liegen. Alle haben während dieser Theaterarbeit am Seminar auch in ihren
Schulen angefangen, mit Schülern Theater zu spielen. Lehrerinnenpersönlichkeit "
Im allgemeinen hat mich die Theaterarbeit einen großen schritt in Bezug auf
meine Lehrpersönlichkeit weitergebracht. Angefangen bei der "Präsenz"
bis hin zur Konzentration und nicht zu vergessen, die bewusste Entspannung
danach. Es hat mich selber angespornt, mehrer Projekte in der Schule durchzuführen"
(Heike G.) "Im
Beruf als Lehrer sehe ich es als dringliche Notwendigkeit an, dass wir an uns
und unserer Persönlichkeit arbeiten. Wir haben tagtäglich mit dem komplexen
System ‚Mensch‘ zu tun, was sich nicht auf bestimmte Handlungsabläufe und
Verhaltensweisen reduzieren lässt. Aus diesem Grund sehe ich für mich die
Theaterarbeit als Chance an, sich mit allen Facetten, welche das menschlichen
Lebens umfasst, auseinanderzusetzen". (Julia S.) Präsenz "Ganz
stark erlebte ich wieder, wieviel Kraft und positive Energie durch die
Bewegung (vor allem durch die harte Bewegung im Kampf) freigesetzt werden.
Beeindruckend war für mich wieder die große „Dringlichkeit“, um in Pias
Worten zu sprechen. Es ist kein Spiel, ich muss mich konzentrieren, ich muss
präsent sein, sonst begebe ich mich in Gefahr. Dies konnte ich nach dem
Seminar auch sehr gut im Unterricht anwenden. Ich versuchte nun auch dort,
ganz bei mir zu sein und „meinen Gedanken eine Richtung zu geben". (Eva
H.) Gruppenidentität
und soziales Lernen Dass die Schauspielerei viel mit der eigenen Person (Persönlichkeit) zu tun hat, war mir klar, aber was Doris Merz aus uns rausgeholt hat, war genial! Theater bedeutet vom Griechischen her 'Erkenne dich selbst', davon habe ich an diesem Wochenende viel gespürt. Meine Erwartungen für dieses Wochenende auf die Gruppe bezogen waren etwas gespalten: Ich 'konnte' bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit allen gleich gut. Ich dachte dies würde sich noch verstärken! Das Gegenteil war der Fall: Obwohl wir viel für uns alleine gearbeitet haben, hat unsere Gruppe einen festen Zusammenhalt bekommen. Ich kann meine 'Macken' und die meiner Gruppenmitglieder viel besser akzeptieren, weil mir bewusst wurde, dass jeder seine Geschichte hat, die ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist. Das ging so weit, dass ich die Tage danach auch andere Menschen (sei es Schüler oder Kollegen) viel mehr so lassen konnte, wie sie sind. Auch wenn mir etwas gegen den Strich ging, hatte ich eine größere Gelassenheit als sonst. Mir wurde klar, dass Schauspielerei harte Arbeit ist, aber sehr befriedigend sein kann, weil man, bei Doris' Art von Arbeit vor allem auch an sich arbeitet. " (Nicole
A.) Atem
und Stimme "
Die Stimmarbeit mit Helga Kröplin und Werner Jauch kann ich sehr gut in
meinen Beruf umsetzen. Die Stimmarbeit zeigte mir, wie viele verschiedenen
Facetten meine Stimme hat, und welche Möglichkeiten mir hierdurch offen
stehen. Im Unterricht kann ich sie nun viel bewusster einsetzen und bestimmte
Ziele leichter erreichen. Dass das Atmen einiges in Bewegung setzen und
gezielt eingesetzt, bestimmte Zustände hervorrufen kann, erweitert mein Körperempfinden
und meine Handlungsfähigkeit. Der Rhythmus zog mich ähnlich wie bei Pia André
in einen tiefen Bann und steigerte meine Konzentrationsfähigkeit. Dies
faszinierte mich so, dass ich es sofort mit meinen Schüler/-innen
ausprobierte." (Julia S.) Gewalt "
... jedenfalls ist meine Teilnahme an der Fortbildung zunächst nicht von
einem thematischen Interesse (Gewalt) geleitet gewesen. Dennoch habe ich im
Laufe des letzten (Schul-)Jahres erkannt, dass Gewalt ein Thema ist, das in
der Schule aufgearbeitet werden muss. Ich finde, dass die Theaterarbeit dazu
hervorragend geeignet ist, weil sie über den Erfahrungsraum Körper -
hoffentlich
- einen geistigen Prozess einleitet
und einen Perspektivenwechsel schafft. Letztlich hat wohl auch die Doris uns
unsere eigene Verletzlichkeit körperlich aufspüren lassen. Im gemeinsamen
Erleben und Betrachten dieser Verletzlichkeit bei sich und anderen, wächst
ein Gemeinschaftsgefühl und Empathiefähigkeit. Würde sich jeder Mensch der
eigenen Verletztlichkeit und der anderer Personen bewusst werden/sein, wäre
eine Voraussetzung für weniger Gewalt und mehr Behutsamkeit und
Menschlichkeit geschaffen. Theaterarbeit stellt sicherlich einen Weg dar, um
in der Schule Bewusstwerdungsprozesse zu initiieren und dabei die Chance zu nützen,
dem Verlust von Emphatiefähigkeit entgegen zu wirken bzw.
Wahrnehmungsprozesse einzuleiten." (Antonietta L.) Die
Evaluation der Inszenierungsphase steht noch aus, da das Gesamtprojektes noch
nicht abgeschlossen ist. Finanzierung
und Ausblick Die
zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel des Seminares reichen für einen
solchen Ausbildungsgang
bei weitem nicht aus. Den Teilnehmern wurde ein gewisser Eigenanteil
abverlangt. Als Glücksfall erwies sich ein Zuschuss des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend für ein Projekt "Theater
gegen Gewalt und Rechtsradikalismus", das über den Bund Deutscher
Amateurtheater bewilligt wurde. Der Förderverein THEATERTAGE AM SEE
kooperierte und übernahm die Vorfinanzierung. Diesen "Glücksfall"
wird es für den neuen Ausbildungskurs nicht mehr geben. Gesichert ist
lediglich die Finanzierung des Grundkurses. Didaktische
Zentren Schon
die Zusammensetzung dieses "Pilotprojektes" verweist auf
den Beitrag, den ein theaterpädagogischer Ausbildungsgang für die
Weiterentwicklung der Seminare zu didaktischen Zentren haben könnte. Schon zu
diesem Ausbildungskurs kamen die Teilnehmer nicht vom Seminar Meckenbeuren.
Eine Teilnehmerin kam vom Seminar Albstadt, drei Teilnehmerinnen sind bereits
im Schuldienst und die Sozialpädagogin kam aus Konstanz. Eine ganze Reihe
Lehrerinnen und Lehrer stehen bereits "in der Warteschlaufe" einer
solchen Ausbildung im regionalen Bereich. Es gibt den Bedarf und die
Bereitschaft dieses hohe Engagement einzubringen. Ein Vorteil dieser Art der
Ausbildung wäre ihre Flexibilität hinsichtlich vielfältigster
Kooperationen: Es ließe sich eine Begegnungsstätte schaffen für
theaterinteressierte Lehrer und Lehrerinnen, die von der PH über das Seminar
in die Lehrerfortbildung und die Schulsozialarbeit hineinreicht. Möglich wäre
die Kooperation mit regionalen Bühnen, Kulturämtern und dem Seminar für
Schulpraxis in Weingarten. Bereits praktiziert wurde die Zusammenarbeit mit
dem Amateurtheaterverband und dem Förderverein THEATERTAGE AM SEE.
Welche pädagogischen Möglichkeiten in solchen Netzwerken liegen
dokumentiert auf eindrucksvolle weise die Sozialpädagogin, die an diesem Projekt
teilnimmt. Zusammen
mit einer Lehrerin versuche ich im Rahmen der Ganztagsbetreuung zwei Stunden
die Woche mit Schüler/innen aus der 6.-8. Klasse Theater zu spielen. Es ist für
mich mit ganz neuen Erfahrungen und Herausforderungen verbunden, eine Gruppe
von (Haupt-) Schüler/innen anzuleiten. ... Die Schüler/innen haben sich für
das Thema „Gewalt“ entschieden. Ausschlaggebend dafür sind ihre eigenen
Gewalt- und Ausgrenzungserfahrungen an der Schule. Meine Teilnahme am
Seminar-Projekt hilft mir dabei enorm, zumal das Stück um das gleiche Thema
kreist. Erstens tauche ich dort als Spielerin intensiv in diese Thematik ein
und werde so sensibilisiert für die Anforderungen, dich ich an „meine“
Spieler/innen stelle. Zweitens lerne ich, wie ich als Spielleiterin in dieses
Thema einführen kann, welche Übungen ich machen kann, auf was ich achten
muss, welche Risiken mit manchen Ansätzen verbunden sind usw. Drittens kann
ich mir inzwischen auch Rat und Unterstützung aus der Gruppe und vom
Kursleiter holen, falls ich mal nicht weiter weiß. Das alles ist mir eine große
Unterstützung und gibt mir mehr Sicherheit für meine eigene Arbeit. (K. M.
Sozialpädagogin) [1] Um es vorwegzunehmen: Weder dieser Artikel noch das hier geschilderte Projekt gehen davon aus, dass die Hauptschulen der Ort sind, an dem Gewalt und rechtsradikales Gedankengut massiver in Erscheinung treten als in anderen Schularten. Was nicht heißen soll, dass die Existenz dieser Phänomene verharmlost oder geleugnet wird. Im Gegenteil, es geht darum angehende Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit diesen elementaren Herausforderungen zu stärken. [2] Belgrad, Jürgen Theater & Pädagogik. Überlegungen zur Vermittlung des Theater-Spiels. In: Belgrad, Jürgen (Hrsg) TheaterSpiel. Ästhetik des Schul- und Amateurtheaters. Baltmannsweiler 1997 S. 106ff [3] Brook, Peter Der leere Raum. Berlin 1983 S.9 [4] Boal, Augusto Der Regenbogen der Wünsche. Methoden aus Theater und Therapie. Seelze 1999 S. 28ff [5] ders. a.a.O.S. 24 [6] Pierre Bourdieu Soziologische Fragen. Frankfurt 1993 suhrkamp tb. Darin insbesonders: Was sprechen heißt, S.91ff und Der sprachliche Markt, S. 115ff Bourdieu verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff des "Habitus" in einem ähnlichen Zusammenhang, wie Brecht diesen bzgl Schauspielkunst und des alltäglichen Theaters versteht. [7] Holzbrecher, Alfred Subjektorientiert lehren und lernen. S. 19 http:7www.ph-heidelberg.de/org.suschu/Holzbrecher.rft [8] Hurrelmann, Klaus Gewalt ist ein Symptom für fehlende soziale Kompetenz. In: Hurrelmann, Rixius, Schirp u.a. Gewalt in der Schule. Ursachen, Vorbeugung, Intervention. Weinheim 1996 , S.14 [9] Holzbrecher a.a.O. S. 19 [10]
Boal, Augusto
a.a.O. S.31 [11] Norbert Rixius kommt zu ganz ähnlichen Erkenntnissen im Zusammenhang mit Kampfsport und Meditation. Rixius, Norbert Kampfsport, Meditation und Theaterarbeit. In: Hurrelmann, Rixius, u.a. a.a.O. S. 117ff [12] Pia André Neuer Tanz und Stockkampf. Seminarbegleitendes Skript zu diesem Grundkurs. Meckenbeuren 2001 S. 9f [13] Pia André a.a.O. S. 11f [14] Ingo Scheller hat den Artikel aus Die Zeit 19.Februar 1993, S.19 als Ausgangspunkt szenischen Interpretierens gemacht und in PRAXIS DEUTSCH Heft 136 März 1996, 23. Jahrgang veröffentlicht. Seelze 1996, S. 47ff. Ein weiteres Ziel dieses Lehrgangs ist Wege aufzuzeigen, wie mit Vorlagen aus der didaktischen Lietartur in einem kreativen Gestaltungsprozess Eigenes entstehen kann.
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